Meinungen
Verkehrte Welt? | April 2012
Freie Wählerin betrachtet die Freies Wort-Berichterstattung zur OB-Wahl in Suhl
Die Suhler Wähler haben sich mehrheitlich für sach- und zukunftsorientierte Politik entschieden. Deshalb gaben sie dem parteiunabhängigen Amtsinhaber Dr. Jens Triebel mehrheitlich im 1. Wahlgang ihre Stimme. Es hat doch wohl gute Gründe, weshalb die Entscheidung so gefallen ist und nicht anders. Und es ist unbegreiflich, weshalb auf dem Wahlsieger herumgehackt und der CDU-Wahlverlierer fast noch glorifiziert wird.
Wieso ließen die Suhler den als so markig beschriebenen Herausforderer Marcus Kalkhake abblitzen? Und das, obgleich er den material- und kostenintensivsten Wahlkampf der drei Bewerber bestritt. Er ließ die größten und meisten Plakate aufstellen, schaltete riesige Anzeigen, warb mit einem vierseitigen Zeitungsblatt, verteilte staatliche Lottomittel an einen Suhler Verein, dessen Präsident zufällig sein Wahlkampfhelfer war. Selbst die CDU-Regierungsspitze reiste aus Erfurt an, um dem CDU-Mann Schützenhilfe zu geben. Vielleicht haben ihm so viele Suhler die rote Karte gezeigt, weil sein Wahlkampf nicht offensiv - wie von der Redaktion beschrieben - sondern aggressiv war. Die Wähler sind nicht so dumm wie manche Journalisten glauben. Sie können sehr wohl zwischen Realität, zukunftsweisenden Angeboten und Demagogie unterscheiden.
Wenn nun ein Kandidat wie CDU-Kreisvorsitzender Marcus Kalkhake eine Wahl so grandios vergeigt, müsste dann nicht die erste Frage eines unabhängigen Journalisten sein: Denken Sie an Rücktritt von ihrem Ehrenamt? Aber das Gegenteil passiert: Der CDU-Mann wird für seine Art Wahlkampf zu führen in Freies Wort auch noch zum Beinahe-Helden stilisiert. Der neue und alte Amtsinhaber hingegen wird belehrt, dass er doch so überhaupt kein Profil hat und sich mal anstrengen soll, um die nächsten sechs Jahre zu überleben.
Wir Freien Wähler Suhl waren die einzig bekennenden Unterstützer von Dr. Jens Triebel. Wir haben keine finanzkräftige Partei im Rücken. Mitgemischt im Wahlkampf haben wir trotzdem und dafür privates Geld und unsere Zeit eingesetzt. Wie der unabhängige Kandidat Dr. Triebel und der Kandidat der Linken Holger Auerswald, haben wir uns um Fairness bemüht. Das ist uns in Anbetracht von Gerüchten, die bewusst und gezielt gegen Dr. Triebel und seine Gattin in Umlauf gebracht wurden, nicht immer leicht gefallen. Hätte ein FW-Journalist in unsere Reihen gefragt, so hätten ihm doch mehrere Freie Wähler voller Überzeugung geantwortet, dass es keine Stichwahl geben wird. Aber wir Freien Wähler hatten ja noch Glück als Triebel-Unterstützer in zwei Texten der Wahlausgaben am Montag und Dienstag überhaupt kurz zitiert zu werden.
Es ist bedauerlich, dass FW-Redakteure sich nicht mit der Demografie in Deutschland bzw. Thüringen beschäftigen und die Erkenntnisse aus ihren Recherchen an die Leser weitergeben. Aber vielleicht ändert sich das ja nun, nachdem die Kanzlerin ganz bewusst und zielgerichtet das Thema aufgegriffen hat. Es ist auch etwas schade, dass immer nur vom Suhler Wohnungsproblem allgemein in Freies Wort die Rede ist. Mit umfänglichen Recherchen könnte das sicher weitgehend konkretisiert werden. Wäre das Erinnerungsvermögen der Lokalreporter besser ausgeprägt, würde man wahrscheinlich beim CDU-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Wirthwein nachhaken, wenn er den OB auffordert, das Suhler Wohnungsproblem neu zu betrachten. Wirthwein war bereits in OB Kummers Zeiten Aufsichtsratsmitglied der GEWO und ist es noch!!! Nicht vergessen sollte Freies Wort jene spektakuläre Handlung von Marcus Kalkhake als er zwei Tafeln aus der Ausstellung des Suhler Bündnisses für Demokratie im Rathaus abhängen ließ. Am nächsten Morgen wurden diese per Gerichtsbeschluss wieder gebracht. Von ausgeprägter Demokratiefähigkeit spricht ein solches Handeln jedenfalls nicht.
Zur Freies Wort-Argumentation der Wahlbeteiligung: Natürlich sind 48,3 Prozent kein Grund zum Jubeln, aber immerhin nach Gera mit 49,6 Prozent die zweithöchste in den kreisfreien Städten Thüringens. Zum Vergleich in Erfurt wählten lediglich 43,9 Prozent. Vor sechs Jahren waren ebenfalls kaum mehr Leute an den Urnen.
Über eines haben wir uns denn aber doch gefreut. Freies Wort konnten wir entnehmen, dass Peter Hornschuch von Aktiv für Suhl inzwischen erkannt hat "der Stadtrat ist das höchste und letztlich entscheidende Gremium in der Stadt". Möge er es beherzigen. Zumindest war der Wahlkampf von Aktiv für Suhl gegen den Amtsinhaber ein schäbiger Akt. Wir sind stolz auf unsere Bürger, die auf solchen Schmutz nicht hereinfallen.
Für uns Freien Wähler ist Kommunalpolitik parteiübergreifend, sachbezogen und ergebnisorientiert. Diese Herangehensweise verbindet uns mit Dr. Triebel. Von Freies Wort würden wir uns wünschen, den Lesern die Kommunalpolitik in all ihren Zusammenhängen besser zu erklären und durch gut recherchierte Beiträge zur Information, Meinungsvielfalt und Meinungsbildung beizutragen.
Ingrid Ehrhardt, Fraktionsvorsitzende Freie Wähler Suhl